Richtwertaufklärung (Mietrecht)

Die „Miete“ oder auch der „Mietzins“ besteht abhängig von der konkreten Vereinbarung aus dem Hauptmietzins (HMZ), den (anteiligen) Betriebskosten samt allfälligen besonderen Aufwendungen (z.B. Liftbetriebskosten, mitvermietetes Inventar, etc.) und der jeweiligen gesetzlichen Umsatzsteuer. Die Mietzinsbildung kann zwischen Vermieter und Mieter grundsätzlich frei getroffen werden, allerdings sind im Vollanwendungsbereich des MRG gesetzliche „Höchstgrenzen“ zu beachten, die nicht überschritten werden dürfen, andernfalls dem Vermieter die Rückzahlung des überhöhten Mietzinses samt Zinsen drohen kann. 

Das Mietverhältnis unterliegt dem MRG-Vollanwendungsbereich, sofern dieses nicht ausdrücklich vom Anwendungsbereich des MRG ausgenommen ist (§ 1 Abs 2 MRG; „Vollausnahme“) oder das MRG nur eingeschränkt Geltung erlangt (§ 1 Abs 4 MRG; „Teilanwendungsbereich“). 

Praktisch häufigstes Kriterium für den MRG-Teilanwendungsbereich betrifft Mietgegenstände, die in Gebäuden gelegen sind, die ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel auf Grund einer nach dem 30.06.1953 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden sind bzw. durch den Ausbau eines Dachbodens oder einen Aufbau auf Grund einer nach dem 31.12.2001 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden sind. 

Mietgegenstände im Teilanwendungsbereich unterliegen der freien Mietzinsbildung


Im Vollanwendungsbereich des MRG – richtwertmietzins

Im Vollanwendungsbereich sind insbesondere nachstehende zwingende Mietzinsbildungsvorschriften zu beachten:

Angemessener Hauptmietzins (§ 16 Abs 1 MRG): Die Höhe des angemessenen Hauptmietzinses ist im Regelfall nur unwesentlich geringer als der freie Mietzins, unterscheidet sich hiervon jedoch dadurch, dass er einer nachträglichen behördlichen Überprüfungs- und Herabsetzungsmöglichkeit (in Wien: Antrag ist zwingend bei der Schlichtungsstelle der MA50 einzubringen und allenfalls eine Überprüfung durch das Gericht; in Niederösterreich: bis auf die Ausnahmen in St. Pölten, Stockerau, Neunkirchen, ausschließlich Gericht) unterliegt. Zum Zeitpunkt der Mietzinsvereinbarung (nicht zwangsläufig Mietvertragsabschluss!) hat der Mietzins nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand, Marktlage, bei Geschäftslokalen Branchenüblichkeit angemessenen zu sein. Für die Ermittlung der Angemessenheit werden von Sachverständigen regelmäßig die ortsüblichen Mietzinse vergleichbarer Wohnungen herangezogen („Mietenspiegel“). Hauptanwendungsfälle des angemessenen Hauptmietzinses: Vermietung zu Geschäftszwecken, Wohnungen im Neubau (Baubewilligung nach dem 8. Mai 1945 bzw. Wohnungen, die nach dem 8. Mai 1945 durch Um-, Auf-, Ein- oder Zubau neu geschaffen wurden; insbesondere auch Neuschaffung von Wohnungen durch Dachgeschossausbauten) Mietgegenstände in denkmalgeschützten Gebäuden Wohnungen, die in Kategorie A oder B einzustufen sind, eine Nutzfläche von mehr als 130m² haben und nicht länger als sechs Monate leer gestanden sind. 

Richtwertmietzins (§ 16 Abs 2 – 4 MRG): Im Vollanwendungsbereich stellt der Richtwertmietzins die zentrale Mietzinsbildungsnorm dar, durch die der höchstzulässige Hauptmietzins betraglich begrenzt wird. Der Richtwertmietzins wird auf Grundlage des vom Bundesministerium für Justiz für jedes Bundesland zweijährlich festgesetzten Richtwerts (Stand 12/2019: seit 01.04.2019 für Wien: EUR 5,81/m²; für Niederösterreich: EUR 5,96/m²) unter Berücksichtigung von Zu- und Abschlägen ermittelt (die gesetzliche Änderung der Richtwerte ist nicht zu verwechseln mit der vertraglich möglichen Vereinbarung der Wertsicherung des Richtwertmietzinses).  

Wertbildende Kriterien für den Richtwertmietzins (nachstehende Zu- bzw Abschläge stellen Erfahrungswerte dar und haben daher keine Allgemeingültigkeit!) sind insbesondere Stockwerkslage (zB niveaugleiches Wohngeschoss zwischen 5 bis 15% Abschlag; ab dem 2. Gebäudestockwerk 1,5% Zuschlag, Aufzug 9 % Zuschlag), Balkon (2,5% Zuschlag), hofseitige oder straßenseitige Ausrichtung der Wohnung (zB überdurchschnittliche Lärmbeeinträchtigung 2,5 % Abschlag; Nordlage und enge Verbauung 2,5 % Abschlag; Südlage oder Fernblick 2,5 % Zuschlag), Wohnungsausstattung (zB zweites WC 5% Zuschlag; WC und Bad in einem Raum 2,5 % Abschlag; Gegensprechanlage 1% Zuschlag; hochwertiger Parkettboden 1 %), Wohnumgebung des Gebäudes (zB teilweise Ruhelage 5 % Zuschlag) und auch die Grundrissgestaltung der Wohnung (zB Küche ohne direkte Belichtung und Belüftung 5 % Abschlag).

Anwendung findet der Richtwertmietzins insbesondere bei der Vermietung von Wohnungen der Ausstattungskategorien A, B und C ab 01.03.1994, sofern diese vor dem 09.05.1945 geschaffen wurden und das Gesetz die Vereinbarung eines freien oder angemessenen Mietzinses nicht zulässt (nichtjedoch bei Geschäftsraummieten). Auf der Homepage der Stadt Wien kann der Richtwert mit einem Online-Tool näherungsweise berechnet werden (https://www.wien.gv.at/richtwert/berechnung/). 

Kategoriemietzins (§ 16 Abs 5 und 6 MRG): Für Wohnungen der Ausstattungskategorie D (kein WC oder Wasserentnahmestelle in der Wohnung) beträgt der höchstzulässige HMZ pro m²/Monat in unbrauchbarem Zustand EUR 0,90; in brauchbarem Zustand EUR 1,80 (Stand 12/2019).

Befristungsabschlag (§ 16 Abs 7 MRG): Bei Befristung des Mietvertrags ist ein Abschlag in Höhe von 25 % des höchst zulässigen HMZ vorzunehmen. Dies betrifft Wohnungs- und Geschäftsraummieten gleichermaßen.

Unwirksame Hauptmietzinsvereinbarungen (§ 16 Abs 8 und 9 MRG): Mieter haben die Möglichkeit, mittels Antrags bei Gericht (in Wien ist der entsprechende Antrag vor Anrufung des Gerichts zwingend bei der Schlichtungsstelle der MA50 einzubringen; kein Kostenrisiko für den Mieter bei der Schlichtungsstelle) den höchstzulässigen HMZ behördlich überprüfen zu lassen. 

Anfechtbar bzw. überprüfbar sind insbesondere jene HMZ-Vereinbarungen, die den zwingenden Mietzinsbildungsvorschriften im Vollanwendungsbereich des MRG unterliegen. Der vereinbarte HMZ ist insoweit unwirksam, als dieser den höchstzulässigen Mietzins (je nach Mietgegenstand und Nutzungsart) überschreitet oder der vorzunehmende Befristungsabschlag unberücksichtigt bleibt. Die endgültige Feststellung des zulässig zu vereinbarenden HMZ erfolgt behördlich (Schlichtungsstelle bzw. Gericht), dem ein Sachverständigengutachten als Orientierungshilfe zugrunde liegt. 

Die Frist zur rechtzeitigen Antragstellung zur Überprüfung des höchstzulässigen HMZ richtet sich danach, ob der Mietvertrag befristet oder unbefristet ist und beträgt:

Bei diesen Fristen zur Geltendmachung der HMZ-Überprüfung handelt es sich um Präklusivfristen, nach deren Ablauf das Recht des Mieters zur Anfechtung/Überprüfung des HMZ verwirkt ist. Innerhalb dieser Fristen richtet sich die Beurteilung der Zulässigkeit des vereinbarten HMZ immer nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung. Ein vom Mieter im Vorhinein erklärter Verzicht, die Unwirksamkeit einer Mietzinsvereinbarung geltend zu machen, ist selbst unwirksam. 

Zu unterscheiden ist die Präklusivfrist für die Geltendmachung der Unwirksamkeit der HMZ-Vereinbarung einerseits von der Verjährungsfrist zur Rückforderung zu viel bezahlter Mietentgelte („Überschreitungsbeträge“) andererseits. Die rechtzeitige Antragstellung auf Überprüfung des höchstzulässigen Hauptmietzinses ist Voraussetzung dafür, dass behördenseits ein Verfahren zur Feststellung eines allfällig zu viel bezahlten Mietzins eingeleitet wird. Sofern ein Verfahren behördenanhängig gemacht wurde, ist der mögliche Anspruch auf Rückforderung allfällig zu viel bezahlter Mietzinse zeitlich beschränkt und kann, muss allerdings nicht, die gesamte Mietdauer umfassen. Entscheidendes Kriterium ist die Befristung des Mietvertrags, sodass der Zeitraum, für den allfällig zu viel bezahlte Mietzinse zurückgefordert werden kann:

beträgt. Selbst wenn das Verfahren zur Überprüfung des höchstzulässigen Mietzinses rechtzeitig bei der Behörde anhängig gemacht wurde, sind vom Mieter bezahlte Mietzinse, die vor diesen Zeiträumen liegen, vom Rückforderungsanspruch wegen Verjährung ausgeschlossen. 

Für den Fall des erfolgreichen Antrags des Mieters auf Überprüfung des höchstzulässigen HMZ schuldet der Vermieter dem Mieter neben der Rückzahlung der monatlichen Überschreitungsbeträge zusätzlich gesetzliche Verzugszinsen in Höhe von 4 % p.a. (Stand 10/2021).

Mietzinsminderung (§ 1096 ABGB): Die Unwirksamkeit der HMZ-Vereinbarung ist vom Anspruch des Mieters auf Mietzinsminderung oder Mietzinsbefreiung bei Äquivalenzstörungen (z.B. bei vorübergehend eingeschränkter Brauchbarkeit des Mietobjektes) zu unterscheiden. Dieses Recht steht dem Mieter unabhängig von der Anwendbarkeit des MRG zu, auf das bei der Miete unbeweglicher Sachen im Vorhinein nicht wirksam verzichtet werden kann. Voraussetzung für die Mietzinsminderung ist, dass das Mietobjekt aufgrund eines Mangels (entweder bereits bei Mietbeginn oder während der laufenden Mietdauer) nicht oder nur eingeschränkt zum vertraglich vereinbarten Zweck benutzt werden kann.